Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bieten ihm die größten Gestaltungsmöglichkeiten. Deshalb wird häufig auch von „echter Mitbestimmung“ gesprochen. Betrifft eine betriebliche Veränderung die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, kann der Arbeitgeber nicht handeln, ohne dass der Betriebsrat den Maßnahmen zustimmt. So haben die Arbeitnehmer die Möglichkeit mitzureden, wenn es darum geht den Arbeitsalltag zu gestalten.

Was sind Mitbestimmungsrechte?

Die Mitbestimmungsrechte sind die „stärksten“ Rechte des Betriebsrats. Durch die Mitbestimmungsrechte erhält der Betriebsrat die Möglichkeit mitzubestimmen, wenn es um betriebliche Belange geht. Die Möglichkeiten Arbeitsbedingungen mitzugestalten und Ungerechtigkeiten abzuwenden, sind hier besonders groß – umgangssprachlich spricht man deshalb bei diesen Rechten auch von der „echten/harten Mitbestimmung“. Die Mitbestimmung greift insb. zwei Punkte auf:

  • Der Arbeitgeber kann bei den Mitbestimmungsrechten nicht ohne die Zustimmung des Betriebsrats aktiv werden. Handelt der Arbeitgeber ohne die Zustimmung, ist sein Handeln ungültig. Betriebsrat und Arbeitgeber sind hier also gleichberechtigt und müssen sich einig werden (Konsensprinzip). Auch in Eilfällen darf der Arbeitgeber eine Maßnahme, die dem Mitbestimmungsrechten unterliegt, nicht ohne Einverständnis des Betriebsrats durchführen. Einzige Ausnahme sind echte Notfallsituationen (wie z. B. ein unvorhergesehener Brandfall).
  • Der Betriebsrat hat bei allen Mitbestimmungsrechten außerdem ein Initiativrecht (BAG v. 14.11.1974 – 1 ABR 65/73), wonach er dem Arbeitgeber Vorschläge unterbreiten kann. Betriebsräte können entsprechend von allein aktiv werden.

Weil die Einflussmöglichkeiten des Betriebsrats bei der Mitbestimmung groß sind, ist es wichtig, dass er die Mitbestimmungsrechte kennt. Nur so kann er (1) prüfen, ob der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nachkommt und (2) die Arbeitsbedingungen mitgestalten. Bei Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu empfehlen. So hat der Betriebsrat die Möglichkeit die Einhaltung und Durchführung der Betriebsvereinbarung und somit des mitbestimmungspflichtigen Tatbestands gerichtlich zu erzwingen.

Sollten Betriebsrat und Arbeitgeber sich nicht einigen können, können Betriebsräte den Rechtsweg ausschöpfen und z. B.

  • ein Einigungsstellenverfahren, 
  • ein Arbeitsgerichtsverfahren, 
  • ein Strafverfahren oder 
  • ein Ordnungswidrigkeitenverfahren

nutzen. Gleiches gilt auch bei Verletzung der Mitbestimmungsrechte durch den Arbeitgeber.

Inwiefern unterscheiden sich Mitwirkungsrechte von Mitbestimmungsrechten?

Bei den Mitbestimmungsrechten darf der Arbeitgeber Maßnahmen nicht durchführen, wenn der Betriebsrat nicht zugestimmt hat. Bei Uneinigkeit wird z. B. die Einigungsstelle eingeschaltet. Bei Mitwirkungsrechten muss der Arbeitgeber hingegen nicht auf eine Zustimmung des Betriebsrats warten. Der Arbeitgeber hat hier die endgültige Entscheidungsbefugnis. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen bei den Mitwirkungsrechten nur zusammenkommen und die Angelegenheit erörtern (Beratungsrecht) oder den Betriebsrat lediglich anhören (Anhörungsrecht).

Welches Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat?

Im Betriebsverfassungsgesetz sind zahlreiche Mitbestimmungsrechte für den Betriebsrat verankert:

§ 38 Abs. 2 BetrVG

Freizustellende BR-Mitglieder

§ 39 Abs. 1 BetrVG

Zeit und Ort der Sprechstunden

§85 Abs. 2 BetrVG

Behandlung von Beschwerden

§ 87 Abs. 1 BetrVG

Soziale Angelegenheiten

§ 91 BetrVG

Änderungen der Arbeitsplätze, der Arbeitsabläufe oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen und die betroffenen Arbeitnehmer in besonderer Weise belastet werden

§ 94 Abs. 2 BetrVG

Einführung und Verwendung von Personalfragebögen, Beurteilungsgrundsätzen sowie von persönlichen Angaben in Formulararbeitsverträgen

§ 95 Abs. 1 und 2 BetrVG

Erstellung von personellen Auswahlrichtlinien

§ 97 Abs. 2 BetrVG

Einführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung aus Anlass der Planung technischer Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder Arbeitsplätzen

§ 98 Abs. 1 und 3 BetrVG

Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung

§ 102 Abs. 6 BetrVG

Mitbestimmung bei Kündigungen

§ 104 BetrVG

Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer

§ 112 Abs. 1 und 4 BetrVG

Erzwingbarer Sozialplan

§ 87. Abs. 1 Satz 1

betriebliche Ordnung und zum Verhalten der AN im Betrieb

§ 87. Abs. 1 Satz 2

Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage

§ 87. Abs. 1 Satz 3

vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit

§ 87. Abs. 1 Satz 4

Zeit, Ort und Art und Weise der Auszahlung des Arbeitsentgelt

§ 87. Abs. 1 Satz 5:

Aufstellung von Urlaubsplan und allg. Urlaubsgrundsätze, Festlegung der zeitliche Lage des Urlaubs

§ 87. Abs. 1 Satz 6

Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen

§ 87. Abs. 1 Satz 7

Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften

§ 87. Abs. 1 Satz 8

Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist

§ 87. Abs. 1 Satz 9

Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen

§ 87. Abs. 1 Satz 10

Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung

§ 87. Abs. 1 Satz 11

Festsetzung von Akkord- und Prämiensätzen und vergleichbaren leistungsabhängigen Entgelten

§ 87. Abs. 1 Satz 12

Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen

§ 87. Abs. 1 Satz 13

Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt

§ 87. Abs. 1 Satz 14

Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird

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Wann hat der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte?

Der Betriebsrat kann dann mitbestimmen, wenn die Maßnahmen des Arbeitgebers unter die im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats fallen.  Mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten gibt es im Rahmen von sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten.

Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei sozialen Angelegenheiten sind in § 87 BetrVG geregelt. Hierzu gehören:

Fragen der Ordnung des Betriebs und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb

Hierzu zählen zum Beispiel

    • Anwesenheitskontrollen
    • Form und Nutzung von Betriebsausweisen
    • Arbeitskleidung
    • Alkohol- und Rauchverbote
    • Taschenkontrollen

Arbeitszeit

  • Unter Berücksichtigung von Tarifverträgen bzw. den Arbeitszeitgesetzen können Betriebsräte Regelungsspielräume nutzen, um mitzubestimmen. Zum Beispiel bei:
    • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
      • Einführung, Abbau und Ausgestaltung von Schichtarbeit
      • Dienstplänen und Rufbereitschaft
      • Gleitarbeitszeit
      • Arbeit auf Abruf
      • Lage und Dauer der Pausen
      • Sonn- und Feiertagsarbeit
  • Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit
        • Einführung von Sonderschichten
        • Überstunden von Teilzeitbeschäftigten
        • Einführung von Kurzarbeit
        • Notfälle und Eilfälle

Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte

  • Festlegung der Lohnzahlungszeiträume
  • Leistung von Abschlagszahlungen

Aufstellung von allgemeinen Urlaubsgrundsätzen

  • Erholungsurlaub
  • Sonderurlaub
  • Zusatzurlaub für Schwerbehinderte
  • Bildungsurlaub
  • Zeitliche Lage und Dauer des Betriebsurlaubs
  • Urlaubssperren
  • Verteilung des Urlaubs innerhalb des Jahres

Überwachung der Arbeitnehmer

Die Einführung und Anwendung von Filmkameras, Telefonanlagen, Fahrtenschreibern, automatischen Zeiterfassungsgeräten, Software (die Aussagen zum Verhalten oder zur Leistung von Arbeitnehmern treffen kann) sowie Betriebsdatenerfassungssysteme sind mitbestimmungspflichtig.

Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten

Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet im Rahmen des gesetzlichen Arbeitsschutzes Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu verhüten sowie den Gesundheitsschutz zu fördern. Die Ausgestaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist jedoch mitbestimmungspflichtig. Betroffen sind zum Beispiel:

    • Umsetzung arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse
    • Durchführung von Unfallverhütungsvorschriften sowie des Arbeitsschutzgesetzes und des Arbeitssicherheitsgesetzes
    • Zusammenarbeit mit Berufsgenossenschaft, Gewerbeaufsicht und dem Amt für Arbeitsschutz

Sozialeinrichtungen

  • Rechtsform der Sozialeinrichtung
  • Sozialfonds
  • Öffnungszeiten und Preise der selbst betriebenen Kantinen
  • Kindergärten
  • Erholungsheime
  • Pausenräume
  • Betriebliche Sportanlagen

Werkswohnungen

  • Zuweisung von Werkmietwohnungen an Arbeitnehmer
  • Kündigung von Werkmietwohnungen (mit Ausnahmen)
  • Festlegung und Änderung der Nutzungsbedingungen

Betriebliche Lohngestaltung

Während die Lohnhöhe nicht mitbestimmungspflichtig ist, hat der Betriebsrat bei der betrieblichen Lohngestaltung in vielen Bereichen ein Mitbestimmungsrecht. Zum Beispiel bei:

    • Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen
    • Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren
      Änderung
    • Festlegung von Kriterien, nach denen sich die Höhe des auszuzahlenden Entgelts richtet
    • Festsetzung von Akkord- und Prämienzusätzen
    • Provisionen
    • Erschwerniszulagen
    • Gratifikationen
    • Gewinn- und Ergebnisbeteiligungen
    • Übernahme von Fahrtkosten

Gruppenarbeit

Bei der Art und Weise, also der Durchführung von Gruppenarbeit, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht (z. B. über Zeitpläne oder Qualifikationsmaßnahmen).

Inhaltliche Ausgestaltung von mobiler Arbeit

  • Zeitlicher Umfang
  • Arbeitsort
  • Erreichbarkeit
  • Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit

Betriebliches Vorschlagswesen

Stellt der Arbeitgeber finanzielle Mittel zur Förderung von Verbesserungsvorschläge zur Verfügung, kann der Betriebsrat bei der Einführung und Aufstellung allgemeiner Grundsätze für Einreichen, Bearbeiten und Bewerten der Vorschläge mitbestimmen. Außerdem bei:

    • begünstigter Personenkreis
    • Besetzung eines Ausschusses
    • Bemessungsgrundsätze der Prämie
    • Aufteilungsgrundsätze

Initiativrecht des Betriebsrats

Bei allen mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten muss der Betriebsrat nicht darauf warten, dass der Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme durchführen möchte, um seine Mitbestimmungsrechte zu nutzen. Der Betriebsrat hat ein sogenanntes Initiativrecht. Das bedeutet, dass der Betriebsrat von sich aus aktiv werden kann und dem Arbeitgeber seine Vorschläge unterbreiten kann. Kommen die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber nicht zu einem Abschluss, hat der Betriebsrat die Möglichkeit, die Einigungsstelle anzurufen.

Mitbestimmung bei personellen Angelegenheiten

Bei der Aufstellung von Richtlinien über die Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen hat der Betriebsrat ebenfalls Mitbestimmungsrechte und muss seine Zustimmung zu der Maßnahme geben. Verweigert der Betriebsrat z. B.  bei einer Einstellung oder Versetzung seine Zustimmung, kann der Arbeitgeber damit eine Entscheidung durch das Arbeitsgericht herbeiführen. In Unternehmen mit weniger als 20 Arbeitnehmern hat der Betriebsrat hingegen kein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen, Versetzungen und Ein- und Umgruppierungen.

Mitbestimmung bei wirtschaftlichen Angelegenheiten

Auch bei Betriebsänderungen haben Betriebsräte Mitbestimmungsrechte. So haben Betriebsräte bei Interessenausgleich und Sozialplan weitreichende Möglichkeiten, Nachteile für betroffene Arbeitnehmer abzumildern oder auszugleichen.